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Channel: Antisemitismus – Stilstand
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Mal ’ne Frage, Herr Broder

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Sie behaupten ja unentwegt, der größte Antisemitenriecher aller Zeiten zu sein. Daher wende ich mich an Sie mit einem intellektuellen Problem, auf das ich bei meinen Lektürebemühungen stieß. Der Carl von Ossietzky schrieb in einem Artikel über die erste ‚Säuberung‘ in der NSDAP (Weltbühne, I, 1931, 520):

„Gemeinsam ist diesen exemplarischen Germanen nur die punische Tücke. Die Nazis haben keine Ideen, keine politischen Vorstellungen, aber wo es um Krippe und nationales Renomée geht, entfalten sie die phantasievolle Gerissenheit levantinischer Teppichjuden.“

So weit also der Ossietzky, der hier eindeutig das Nazitum mit diversen antisemitischen Stereotypen ausstattet, die Antisemiten werden von ihm gewissermaßen ’semitisch‘ gefärbt. Damit leugnet Ossietzky also keineswegs die Existenz einer negativen jüdischen Charakteristik, er wendet diese nur auf die völkischen Dumpfhirne der anderen Seite an – es ist rhetorisch eine Ihr-Doch-Auch-Figur. Die NSDAP selbst wird ‚verjüdelt‘, um auch mal den Jargon jener Zeit zu gebrauchen.

Schlimmer noch, da jede ‚Israelkritik‘ – wie Sie wiederholt und zuletzt dann hier ausführten – ja nur eine besonders moderne Form des Antisemitismus ist, verortet Ossietzky seine Vorurteile auch noch ziemlich exakt dort, wo in Ihren Augen die uralte Judenfeindschaft ins Moderne umzuschlagen pflegt: Es ist nämlich die Levante, jener topographische Ort, wo heute ihr Heros, der Bibi Netanjahu regiert. Ossietzky nennt diese Gegend auch noch eine Heimstatt ‚punischer Tücke‘ – wobei er sich in Bezug auf die geographische Lage Karthagos aber etwas desorientiert zeigt. Das Klischee des Weltbühnen-Chefs vom ‚Teppichjuden‘ wiederum, das zielt in meinen Augen dann erneut eindeutig auf jene wehrunwilligen Gebetsmantelträger mit den Schläfenfransen, wie sie heute die Schas-Partei und den Raum rings um die Klagemauer bevölkern.

Nun meine Frage: Wäre dieser Ossietzky wegen dieser und ähnlicher Formulierungen, die ja alles bei weitem übertreffen, was der Jakob Augstein je von sich gab, wäre dieser Ossietzky deshalb nicht auch als Antisemit zu betrachten? Und falls ja – weshalb haben diese tumben Nazis dann ausgerechnet einen Wesensverwandten wie den Carl von Ossietzky in ein KZ gesteckt?

Erwartungsfroh auf eine klärende Antwort ohne ‚Arschlochgeschrei‘ hoffend,

Ihr Klaus Jarchow


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